Was ist Suchttherapie?
Mein Weg zum Suchttherapeuten.
Methoden
Jahresberichte
„Man kann einen Menschen
nichts lehren, man kann ihm nur
helfen, es in sich selbst zu finden.“*
*Galileo Galilei
Was ist Suchttherapie TF?
Im tiefenpsychologisch fundierten Kontext verstehen wir Sucht als komplexe Störung, die sich am bio-psycho-sozialen Modell orientiert.
In den Einzel- und Gruppensitzungen steht der Zugang zu den unbewussten Anteilen des Individuums als ursächliche Entstehung einer Beschwerde (z.B. psychosomatisch) im Fokus. Das aktive Wahrnehmen zu den – durch die Abhängigkeitsmechanismen – betäubten Gefühlen wird als intensiver Prozess mit dem eigenen Selbst in den Mittelpunkt gerückt, um verborgene Konflikte aus der Vergangenheit für den/die Klienten/in durchlebbar nachzugestalten. Nicht selten geht es um ein Entlasten alter Handlungsmotive, die ein selbstzerstörerisches Lebenskonzept bedingt haben. Das Sammeln positiver Erfahrungen bzw. das Ausprobieren anderer – vorher noch nicht erlebter – Lösungsstrategien, kann zu einem veränderten sowie gewinnbringenden Lebensstil beitragen. Das Setting wird von dem/der Hilfesuchenden vordergründig gestaltet, demnach agiert der therapeutische Akteur als – im Kontext der Übertragung und Gegenübertragung – Verstärker, Begleiter sowie Herausforderer. Letztlich gibt es eine Vielzahl von methodischen Vorgehensweisen, der überwiegende Teil der gemeinsamen Arbeit findet im gegenüberliegenden Sitzen statt, durch eine geleitete Gesprächsführung.
Mein Weg zum Suchttherapeuten.
Bereits in meiner Beschäftigung als Pädagoge habe ich mich für die Psychoanalyse, insbesondere für die Abwehrmechanismen interessiert, die freudianische Lehre stellt sich teilweise für mich als ein hilfreiches Instrument dar, die menschliche Psyche – unbewusste Prozesseinheiten – zu verstehen, wenngleich die kritische und streng zu bewertende Theorie stellenweise hinterfragt werden darf sowie die überholten Kernprofile überdacht wurden, angepasst und/oder korrigiert.
Um mich kognitiv intensiv mit Menschen auseinanderzusetzen, die durch prägende Brüche in ihrer Lebensgeschichte durchaus facettenreiche Bewältigungsstrategien lernen mussten, die oftmals von der Gesellschaft kritisch bewertet werden, habe ich mich klar für die tiefenpsychologisch fundierte Strömung der anerkannten Therapieverfahren entschieden.
Einen möglichen und nachgestaltbaren Zugang zu verborgenen, verschütteten oder verschlossenen – schmerzlich zugänglichen – Konflikten zu erarbeiten, die im Unbewussten des Ichs scheinbar nicht miteinander sinnreich konform gehen und demnach nicht komplementär ineinandergreifen können, fasziniert mich.
Das komplexe Denken im abzuhandelnden Setting von komplizierten kognitiven Verstrickungen fordert meine Einstellung und Haltung, sich nicht immer den Weg des geringsten Widerstands zu suchen, deutlich heraus. Dabei ist die umfassende Identitätsentwicklung – insbesondere in der Adoleszenz – als herausfordernd zu betrachten und zu behandeln, sogleich die vorläufigen Identifikationen einen spannenden Einblick in ein ganzes Arsenal von Lebenskonzepten zulassen. Zusätzlich fokussiere ich in meiner Arbeit die Regulierung von Emotionen. Vergangene – vielleicht verstörende – Emotionsverarbeitungen und daraus resultierende Verhaltensmuster, die sich in einen intransparenten Mantel der Undurchdringlichkeit hüllen, in das Hier und Jetzt zu holen, ist eine sinnstiftende Berufung. Meine unstillbare Neugier sowie forschende Begeisterung unterstützt mein therapeutisches Handeln.
Methoden
Biografiearbeit:
Das systematische Auseinandersetzen mit der eigenen Lebensgeschichte führt häufig zu dem Erkennen von Brüchen, Trennungen und/oder zweifelhaften Übergängen, die ein Nachvollziehen von Handlungen bestimmter Bezugspersonen unserer Jugendlichen aufdecken. Demnach wird es unseren Klienten*Innen nachvollziehbar und verständlich aufgezeigt, wie sich tragende und prägende Lebensumstände entwickelt haben. Dabei sind Schuld und Schuldzuweisungen aufzulösen.
Einfache biografische Zugänge finden wir zu unseren Jugendlichen durch Fotos/Fotoalben, durch Collagenarbeit, das Thematisieren von vergangene Zeiten (Phasen der kindlichen Entwicklung), aber auch durch Gegenstände, die längst vergessen scheinen (Spielzeuge (z.B. Puppen, Autorennbahn o.Ä.), Plüschtiere aus der Kindheit, alte Bücher und Zeitschriften uvm.). Zusätzlich werden gedankliche Lerngeschichten entworfen oder offene Fragen gestellt, die an zurückliegende Entwicklungsphasen erinnern (z.B. Kindergartenzeit, Schule, Wohnortwechsel usw.). Auch erzählende Interviews (narrative Interviews) zählen zu den Möglichkeiten sich mit der eigenen Lebensgeschichte wertschätzend zu beschäftigen.
Aktive Übungen mit dem eigenen Selbst:
Unsere Jugendlichen benötigen oftmals einen spielerischen Zugang zu einer gedanklich harten Kost. Durch kreative Ideen versuchen wir unseren Jugendlichen zugeschnittene Methoden anzubieten, um einen größtmöglichen Gewinn aus den therapeutischen Einheiten zu ziehen. Demnach sind nicht selten auch althergebrachte praktische Übungen von großer Bedeutung:
Der Blindenspaziergang lädt die Jugendlichen zu einem Experiment des Vertrauens und des Selbsterkennens ein. Die Teilnehmer*Innen (Einzel- oder Gruppensetting) bilden paarweise eine Einheit. Dabei werden Gefühle des Fallenlassens, des Verlassens und des Einlassens wahrnehmbar. Die Übung wird abwechselnd durchgeführt. Es wird dem/der Partner*In die Augen mit einem Tuch verbunden, sein sehendes Gegenüber führt den nicht sehenden Jugendlichen durch den Raum, durch ein Treppenhaus o.Ä. Im Anschluss werden in der Sitzung die erlebten Erfahrungswerte besprochen und die Verknüpfung in den Alltag und/oder der Vergangenheit nachvollziehbar dargestellt.
Jahresberichte
Sucht- sowie Haustherapie in der therapeutischen WG Kaktus – Mein Jahresrückblick 2020
Ich habe Anfang 2019 in Hamburg am Institut THEMA mit der berufsbegleitenden Ausbildung zum Suchttherapeuten (tiefenpsychologisch fundiert) begonnen und befinde mich weiterhin im Lernprozess, die aktuelle gesundheitspolitische Lage hat meine Ausbildung nicht selten digital stattfinden lassen, wenngleich Module nachgeholt werden müssen.
Neben einer leitenden Tätigkeit beim Verein und der komplexen Koordination zwischen dem Leiten und den anzubietenden Therapieeinheiten, habe ich mich für mein Interessengebiet, die (Sucht-)Therapie entschieden.
Somit konnte ich mich intensiv auf die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der therapeutischen Settings konzentrieren. Mein Beschäftigungsfeld beinhaltet die TWG Kaktus als Haustherapeut und die TWG Phoenix als Suchttherapeut (i.A.), zusätzlich begleite ich einen Klienten in der TWG Twist suchttherapeutisch.
Die Corona-Pandemie hat zu massiven Einschränkungen geführt, die ein Pendeln zwischen den Einrichtungen nicht zuließ – dadurch kam es zu störenden Unterbrechungen.
Zunächst ist es eine belebende Freude wieder in der TWG Phoenix arbeiten zu können, nachdem die Einrichtung Anfang Mai 2020 wieder geöffnet hat, konnte ich die suchttherapeutischen Ansätze mit allen Klienten annähernd zeitgleich beginnen und demzufolge entfachte die Neueröffnung eine spürbare Atmosphäre des gemeinschaftlichen Loslegens sowie eine mitreißende Motivation einer „Hands-on-Mentalität“.
Die Ausflüge im Sommer bzw. im Herbst trugen in meinem Beschäftigungskontext zu einem gewinnbringenden Stabilisieren der Klientenbeziehungen bei. Die geleiteten Spiele am Strand in Devin oder das gemeinsame Erkunden des Stralsunder Tierparks sowie das therapeutische Wandern im Nahbereich der jeweiligen Häuser, lassen oftmals eine veränderte Sicht auf komplexe Blockaden zu (z.B. höchste Etage in einer Parkgarage: Perspektivwechsel).
Die kurzweiligen, wenngleich intensiven Besuche bei den Ferienfahrten der Einrichtungen Kaktus und Phoenix (z.B. Homeland Bremerhagen, Insel Rügen) haben zu einem prägenden Miteinander zwischen betreuenden Mitarbeitern und Klienten beigetragen, die ein therapeutisches Angebot sicherlich lockerer in einem aktiven Irritieren aufbereiten ließen. Das farbenfrohe und einladende Herbstfest der TWG Kaktus stellte eine besondere Ebene zwischen allen Beteiligten her. Demnach fand ein substanzieller Austausch zwischen dem gesamten Team und den Familien der Klienten statt, der die pädagogische Sichtweise auf unsere anvertrauten Kinder und Jugendlichen bestätigte, intensivierte oder korrigierte. Dadurch war diese Veranstaltung sicherlich ein geeignetes Mittel der Wahl und von besonderem Wert geprägt. Ein Kennenlernen der Sorgeberechtigten konnte somit in die einzuarbeitenden Settings integriert werden.
Inhaltlich wird sich in den Sitzungen besonders dem Erkennen, Deuten und Aushalten von Emotionen gewidmet (Emotionsregulierung), da die suchterfahrenen und/oder krisenorientierten Kinder und Jugendlichen oftmals selbstschädigende Bewältigungsstrategien anwenden – da scheinbar verstörende und irritierende Gefühle nur so ertragen werden können. Gewinnbringende Problemlösestrategien, um mit krisenhaften Lebensereignissen sowie tiefgreifenden Konflikten und/oder einem kaum aushaltbaren Craving umzugehen, werden fortlaufend ausprobiert bzw. (neu) entdeckt. Letztlich versuchen wir aus den Fugen geratene Beziehungen aufzudecken und mit diesen sinnstiftend umzugehen. Die Kinder und Jugendlichen sind ihre eigenen Experten, wenn es um die facettenreichen Drogenkombinationen geht und bedürfen nicht selten eine umfangreiche Aufklärung bei der Bedeutung einer komplexen Abhängigkeit oder eines risikoreichen Substanzmittelmissbrauchs.
Perspektivisch ist für das Jahr 2021 mehr Projektarbeit (Autonomie/Selbstwirksamkeit/Empowerment) geplant sowie das Legen von Lebensstraßen (lebensgeschichtliche Ereignisse).
Abschließend ist der sinnstiftende Benefit der nicht selten kontroversen Therapeutentreffen aufzuführen. Grenzen, Unsicherheiten und herausfordernde Fallkonstellationen lassen sich hinreichend prozessorientiert konstruieren und sich demzufolge in ein gewinnbringendes Reflektieren einbetten.